Vielleicht kennst du das ja.
Dich nervt etwas total an dir selbst.
Ein Verhalten, dass du irgendwie nicht ändern kannst.
Immer wenn‘s so richtig stressig wird, will dein Körper Schokolade.
Und bekommt sie auch, fast immer...
Manchmal kommt es dir sogar so vor, als wärst du fremdgesteuert…
Wer hat da eigentlich wieder im Supermarkt zur Schoko gegriffen?
Warum liegt plötzlich nur noch die Schoko-Verpackung neben mir auf dem Sofa?
Warum ist die Schale im Büro eigentlich schon halb leer obwohl nur ich da bin?
Das ist nur ein Beispiel.
Vielleicht ist es nicht die Schokolade.
Sondern ein Gefühl der Wut oder Ohnmacht, das Dich überfällt, wenn eine Person dich übergeht.
Oder ein Gedanke, der Dir einfach nicht aus dem Kopf gehen will.
Um das besser verstehen zu können, hilft es, einen etwas tieferen Blick in die Erkenntnisse der Neurowissenschaften zu wagen.
Denn zum Glück hat die Forschung in den letzten Jahrzehnten ganz bahnbrechende Erkenntnisse gewonnen. Insbesondere rund um Persönlichkeit, Verhalten und Veränderung, genau die Themen, die ich im Coaching begleite.
In meiner Blogpost-Serie "Veränderungswerkstatt" habe ich vor, einerseits Zusammenhänge zu erläutern, andererseits ganz konkrete Veränderungsimpulse zu geben.
In der Hoffnung, dass beides hilft, Euch besser zu verstehen und motiviert, Neues auszuprobieren.
In diesem Post schreibe ich über einige Grundlagen für wirksame Veränderung.
Ich werde also etwas in die fachliche Schatzkiste greifen.
Und bemühe mich, mit Beispielen den Link zum "real life" herzustellen.
Wer sind diese 2, die bei jedem von uns Tango tanzen?
Bei allem, was wir Menschen so fühlen, denken und tun, ist ein ganzes neuronales Netzwerk beteiligt. Um es bildhaft und damit begreifbarer zu machen, kann man vereinfacht sagen, dass sich dieses Netzwerk in 2 Parteien formiert.
2 Parteien die miteinander tanzen: unser Verstand und unser Körper.
(Warum Bilder so wichtig fürs tiefe Verstehen sind, dazu in einem späteren Post).
Körper und Geist gehören zusammen und müssen klarkommen - Eigentlich eine Binsenweisheit, denkt ihr jetzt vielleicht?
Und dennoch halten wir uns nicht an das, was wir eigentlich wissen.
In grossen Teilen unseres Lebens versuchen wir, alles vom Kopf her zu steuern.
Warum?
Dank unserer westlichen Prägung sind wir seeeehhhhr rational unterwegs.
"Ich denke, also bin ich" war jahrhundertelang (seit der Aufklärung und Descartes) unser Credo.
Wir haben über Jahrhunderte der Sozialisation gelernt, zu trennen, was eigentlich zusammen gehört - Körper und Geist.
Das Körperliche wurde tabuisiert und das Rationale glorifiziert.
Die Auswirkungen sind vielfältig.
Wir sehen das in der (Geräte)Medizin, in den rein nach KPI gesteuerten Wirtschaftsbetrieben, in der Schulbildung und so weiter...
Auch unsere Redewendungen zeigen es:
"Das musst Du mal ganz rational betrachten..."
"Denk doch noch mal drüber nach..."
"Wo ein Wille ist, ist ein Weg"...
Wir drücken unsere Wahrnehmung durch Worte aus und Worte prägen unsere Realität. Aber eben nicht alleine...
Meilenstein für die Neurowissenschaften: bildgebende Verfahren
Bildgebende Verfahren haben neurowissenschaftliche Forschung mit Turbo-Geschwindigkeit vorangebracht.
In den Computer Scans konnte man erstmals nachvollziehen, welche Prozesse von welchen Gehirnarealen maßgeblich gesteuert werden und wie die Netzwerke entstehen und sich verändern.
Vereinfacht gesagt, haben die 2 "Tanzpartner" folgende Entsprechungen im Gehirn mit diesen Funktionen:
- Der Neo-Cortex (dt. Grosshirnrinde) ist unser sogenannter Verstand und verarbeitet alle Informationen, die uns bewusst sind und ist für Sprache zuständig.
- Das limbische System ist Steuerungs-Instanz für alle körperlichen Funktionen, alle Gefühle und Handlungen.
Da das limbische System fürs Überleben zuständig ist, ist es um ein Vielfaches schneller als der Neo-Kortex.
Und verarbeitet die Informationen vor- und unbewusst.
Einfach zu verstehen an allen körperlichen Funktionen.
Wenn uns in jedem Moment bewusst wäre, wie genau unsere Körperfunktionen ablaufen - dann wären wir nicht überlebensfähig.
Lost in translation: die Sprache der 2 Systeme
Wie der Neo-Cortex zu erreichen ist, das haben wir seit frühester Kindheit eingeübt: unsere Sprache ist hier der Türöffner.
Versuchen wir aber, mit dem limbischen System mit Sprache zu kommunizieren, dann ist das so "als würden wir versuchen, mit dem Kühlschrank zu reden" (Zitat Gerhard Roth).
Die Schnelligkeit, die das limbische System ausmacht, sorgt dafür, dass in Windeseile Botenstoffe ausgesandt werden. Das Rationale und Bewusste, von dem wir denken, dass wir es bewusst erzeugen, wird durch diese Botenstoffe sozusagen erst wachgeküsst.
Das kommt uns komisch vor, denn es ist uns nicht bewusst.
In vielen Situationen tritt nämlich ein Mechanismus ein, der unser Gehirn Energie sparen lässt: es wird einfach kognitiv passend gemacht, indem wir uns selbst Geschichten bauen, die unser Handeln und unsere Entscheidungen rechtfertigen. Denn unser Gehirn mag Ruhe (Energiespar-Modus). D.h. Wir merken es erst im Falle uns direkt sichtbarer Konsequenzen (Schokolade: die Hose passt nicht mehr). Oder in folgenschweren Situationen wie z.B. Unfallgeschehen.
In vielfältigen Studien wurde dies durch die bildgebenden Verfahren nachgewiesen.
Der Neokortex bestimmt demnach auch nur einen kleinen Teil unseres Selbst, unserer Persönlichkeit.
Wenn wir dann merken: das wollen und können wir uns nicht passend denken und reden:
genau in diesen Situationen spielt die Musik für Veränderung.
Und wenn wir den Tango der Veränderung tanzen wollen, brauchen wir beide: Verstand und das limbische System.
Aber wenn das Wissen seit mehreren Jahrzehnten existiert, warum hat sich dann relativ wenig verändert?
Ich erkläre mir das so:
Evolutionär gesehen ist die Entwicklung und Nutzung unserer kognitiven Ressource ja einer DER Entwicklungsschritte, der uns zu dem macht, der wir als Menschen sind.
Und was sind schon einige Jahrzehnte in Relation zur Menschheitsevolution?
Und unser Gehirn mag keine Veränderung. Wahrnehmungsmuster, die auf Worte und das Rationale geprägt sind, brauchen auch mit guten Gründen viele Runden, um Neues zu etablieren.
Den Dialog könnte man sich im Comic so vorstellen:
Unser kognitives Gehirn motzt ungeduldig: Hast Du es immer noch nicht verstanden!!!!
Unser limbisches System lehnt sich gelassen zurück: Ich fühle nichts, was will es wieder?
Und was heisst das jetzt für Euch konkret?
Es braucht Geduld & neue Erfahrungen, um gefestigte Wahrnehmungsmuster zu verändern.
Neuronale Netzwerke sind stabil, denn das Gehirn mag Stabilität, um Energie zu sparen.
Das ist auch einer der Gründe, warum es nicht hilft, sich zur Veränderung zu zwingen, es geht eher darum, durch geschickte Impulse Neues zu etablieren.
Um es mit Küstenmachers Worten zu sagen:
Limbi muss sich wohlfühlen, nur so gelingt Veränderung.
(Absoluter Lese-Tipp, lustig und visuell brillant verpackt: Limbi, der Weg zum Glück geht durchs Gehirn).
Mit der Idee des Tai Chi: Nicht kämpfen sondern Energie so lenken, dass ich sie optimal nutze.
Und der des Tango: mit Vertrauen und Sanftheit neue Schritte gehen.
Du kannst Dich verändern.
Wenn die Motivation hoch genug ist.
Und wenn Du an deine Grenzen kommst, such Dir Begleitung.
Dann können wir starten, neue neuronale Muster aufzubauen.
Wie genau das gelingen kann?
Dazu mehr in den nächsten Posts...
Nachtrag:
Um neurowissenschaftliche Vorgänge in der Tiefe zu verstehen, habe ich eine Ausbildung zum "3mind Coach" bei Alica Ryba abgeschlossen.
Denn Alica hat mit einem der bekanntesten Neurowissenschaftler in Deutschland, Gerhard Roth, eine Ausbildung entwickelt, mit dem Ziel, Coaching noch wirksamer zu machen.
Meine Ausführungen basieren also größtenteils auf den Erkenntnissen aus der Ausbildung.